April 2020 - Auszug aus den S3 Richtlinien 2020 in der Version 4.3 ab Seite 147:
https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Mammakarzinom_4_0/Version_4.3/LL_Mammakarzinom_Langversion_4.3.pdf
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Boostbestrahlung
4.88. Evidenzbasierte Empfehlung
Empfehlungsgrad: A/B
Eine lokale Dosisaufsättigung (Boost-Bestrahlung) des Tumorbettes senkt die lokale Rezidivrate in der Brust, ohne dadurch einen signifikanten Überlebensvorteil zu bewirken. Die Boostbestrahlung • soll daher bei allen 51 Jahre alten Patientinnen nur bei erhöhtem lokalen Rückfallrisiko erfolgen (G3, HER2-positiv, tripelnegativ, > T1).
Level of Evidence 1a Quellen: [613-616]
Starker Konsens
Eine lokale Dosisaufsättigung des Tumorbetts (sog. Boost) kann die Rückfallrate nach brusterhaltender Operation weiter reduzieren. Es liegen Daten aus zwei großen randomisierten Studien vor. Beide Studien verglichen eine Bestrahlung der ganzen Brust (Dosis 50 Gy) versus Bestrahlung der Brust mit anschließendem Boost. In der französischen Studie betrug die Boost-Dosis 10 Gy [616]; in der größeren EORTC-Studie war die Boostdosis 16 Gy [614]. In beiden Studien wurde das Rückfallrisiko signifikant reduziert. Aus der größeren EORTC-Studie liegen Follow-up-Daten über 20 Jahre vor, die im 5-Jahres-Rhythmus aktualisiert und publiziert wurden; ferner sind aus dieser Studie mehrere Analysen zu prognostischen Faktoren publiziert worden [362, 613-615, 617- 619]. Der Benefit des Boosts auf die lokale Tumorkontrolle hat sich über 20 Jahre stabil gehalten oder sogar vergrößert. Auch für prognostisch günstige Subgruppen wurde die lokale Kontrolle signifikant verbessert; es gibt keine Subgruppe, die bezüglich der lokalen Tumorkontrolle nicht von einem Boost profitiert. Die relative Risikoreduktion ist in allen Subgruppen ähnlich; der absolute Vorteil ist bei jüngeren Patientinnen mit höherem Risiko größer als bei älteren Patientinnen mit Low-risk-Tumoren. Die Rate an Spätfolgen (Fibrose Grad 3 im Boostvolumen) war in der EORTC-Studie gering und bei älteren Patientinnen größer als bei jüngeren; daher ist das individuelle Nutzen-RisikoVerhältnis (lokale Kontrolle versus Fibrose) bei jüngeren Patientinnen sehr günstig und nimmt mit zunehmenden Alter ab. Als Konsequenz aus diesen Daten ist ein Boost dringend zu empfehlen und klar indiziert bei allen prämenopausalen Patientinnen sowie bei postmenopausalen Patientinnen mit erhöhtem Rückfallrisiko bzw. histologischen Risikofaktoren (G3, HER2-positiv, tripelnegativ, > T1) - Ältere Patientinnen mit Nachweis von begleitendem DCIS, befallenen Lymphknoten, fehlenden Hormonrezeptoren, Lymphgefäßinvasion und nach knapper R0- bzw. R1-Resektion profitieren möglicherweise auch von einem Boost. Ein Boost ist generell verzichtbar bei älteren Patientinnen ohne Risikofaktoren. Der Boost wurde früher überwiegend (z. B. in der EORTC-Studie) mit Elektronen mit fünf bis acht Fraktionen im Anschluss an die Bestrahlung der Brust appliziert (sog. sequenzieller Boost). Nach Einführung der 3D-Bestrahlungsplanung sind Techniken mit Photonen Standard geworden. Alternative Verfahren sind interstitielle Brachytherapie oder eine einmalige intraoperative Bestrahlung (mit KV-Röntgenstrahlung oder Elektronenstrahlung). Alle Verfahren haben Vorteile für bestimmte klinische Situationen und Limitationen. Es gibt bisher aber keine Hinweise, dass eines dieser Verfahren gegenüber anderen eindeutig überlegen ist. Für die Boostbestrahlung sollten daher die Verfahren gewählt werden, die vor Ort verfügbar sind und mit denen Erfahrung besteht. Ein neues Verfahren ist der simultan-integrierte Boost (SIB) bei externer Bestrahlung. Dabei wird die früher nach der Brustbestrahlung verabreichte sequentielle Boostdosis von 10-16 Gy/5-8 Fraktionen auf die Anzahl der für die Brustbestrahlung notwendigen Fraktionen (25-28) aufgeteilt und am Tumorbett als simultaner Boost integriert. Der SIB hat physikalisch-technische und biologische Vorteile (Überdosierungen außerhalb des Boostvolumens werden reduziert) und führt zu einer Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit um etwa 1 bis 1,5 Wochen in Abhängigkeit von der Höhe der Boostdosis [620-622]. Ein wesentlicher Nachteil des Boostes (nämlich die Verlängerung der Behandlungszeit der externen Bestrahlung) wird durch den SIB eliminiert. Bei Einsatz eines SIB kann die Indikation zur Boostbestrahlung daher eher großzügig gestellt werden. Die Kombination von konventioneller Fraktionierung bei der Bestrahlung der Brust mit einem SIB ist in großen prospektiven nicht-randomisierten Studien evaluiert worden und wird als sicher und effektiv bewertet [584, 623]. Die Kombination von Hypofraktionierung bei Bestrahlung der Brust und SIB gilt noch als experimentell. Mehrere randomisierte Studien weltweit untersuchen diese Frage aktuell (in Deutschland: HYPOSIB-Studie).
Teilbrustbestrahlung und IORT
4.89. Evidenzbasierte Empfehlung
Empfehlungsgrad 0
Eine alleinige Teilbrustbestrahlung (als Alternative zur Nachbestrahlung der ganzen Brust) kann bei Patientinnen mit niedrigem Rezidivrisiko durchgeführt werden.
Level of Evidence 1a Quellen: [624-629]
Starker Konsens
Eine am individuellen Risiko orientierte Indikation zur adjuvanten alleinigen Teilbrustbestrahlung (PBI (partial breast irradiation) oder APBI (accelerated partial breast irradiation)) nach kompletter Tumorexzision unter Brusterhalt und Beschränkung des Bestrahlungsvolumens auf die Tumorregion kann bei Patientinnen mit niedrigem (Lokal-)Rezidivrisiko durchgeführt werden. Die unterschiedlichen Konzepte mit verschiedenen Strahlenqualitäten und technischen Verfahren zur Teilbrustbestrahlung entsprechen zumeist denen, die auch bei der PBI als Boost-RT vor oder nach Bestrahlung der gesamten Brust (WBI) eingesetzt werden [630- 641]. Bei der Multikatheter-Brachytherapie können die Applikatorschläuche bereits während oder auch nach der Operation platziert werden. Dasselbe gilt auch für die BallonBrachytherapie, bei der der Ballon mit einem zentralen Brachytherapiekatheter bereits während der Operation („open cavity“), aber auch nachträglich („closed cavity“) in die Wundhöhle eingebracht werden. Die Bestrahlung erfolgt typischerweise über einige, 4.6. Adjuvante Strahlentherapie des Mammakarzinoms wenige Tage mit zum Teil mehrfach täglichen Bestrahlungen (z. B. zweimal pro Tag über 5 Tage). Für die Multikatheter Brachytherapie liegen zwei prospektiv randomisierte Studien mit langer Nachsorgezeit vor. Die Budapest-Studie [625] zeigte bis zu 10 Jahre nach Therapie ähnliche Ergebnisse mit APBI und WBI, aber diese monoinstitutionelle Studie wurde wegen schlechter Rekrutierung frühzeitig geschlossen, sodass sie für die Hypothese der Nicht-Unterlegenheit der APBI nicht ausreichend Power hatte. Ergebnisse aus der randomisierten Phase-III-Studie der GEC-ESTRO-Gruppe wurden kürzlich veröffentlicht [628]. Zwischen 2004 und 2009, wurden 1184 Patienten (> 40 Jahre, Tumor bis 3cm) randomisiert. Der primäre Endpunkt war das ipsilaterale Lokalrezidiv mit einer NonInferiority-Marge von 3% nach 5 Jahren. Die 5-Jahres-Rezidivrate lag bei 0,9% für EBRT und 1,4% für die APBI als alleinige RT-Modalität (p = 0,42). Das Gesamtüberleben betrug 95,6% für EBRT und 97,3% für APBI (p = 0,11). Die IORT als alleinige Radiotherapiemodalität stellt die extreme Variante der Kombination einer Hypofraktionierung und einer APBI dar und erfolgt unmittelbar nach der chirurgischen Tumorexstirpation als einmalige Bestrahlungsbehandlung unter Beschränkung auf die Tumorresektionshöhle mit Applikation einer als kurativ angesehenen Gesamtdosis auf das erweiterte Tumorbett. Für eine IORT werden Elektronen eines Linearbeschleunigers (= IOERT), eine Orthovolttherapie mit 50 kVRöntgenstrahlen eines Miniatur-Röntgengerätes oder eine Ballon-Brachytherapie Technik verwendet [631, 632, 635, 637, 642, 643]. Insgesamt wurden in zwei prospektiv randomisieren Studien (TARGIT, ELIOT) knapp 5000 Patientinnen randomisiert. Bisher vorliegende Studienergebnisse ergaben zwar für die Gesamtgruppe der Patientinnen eine etwas erhöhte Rückfallrate in der Brust, aber für bestimmte Subgruppen von älteren Patientinnen mit unifokalem kleinem Mammakarzinom lokale Tumorkontrollraten, die mit denen einer Radiotherapie der gesamten Brust erreichbaren vergleichbar waren [626, 627, 644]. Eine monozentrische Studie [645] randomisierte 520 Patientinnen über 40 Jahre mit Tumoren bis 2,5 cm zur perkutanen APBI mit 5 x 6 Gy als IMRT im Vergleich zur konventionellen Ganzbrustbestrahlung. Nach einem medianen Follow-up von 5 Jahren lag die Lokalrezidivrate bei 1,5% in beiden Armen mit einem günstigeren Toxizitätsprofil und besserer Lebensqualität nach APBI [646]. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse [647] fasste alle publizierten prospektiven Studien zur APBI zusammen, die Überlebensdaten publiziert hatten, und konnte klar zeigen, dass es keinesfalls eine Unterlegenheit der APBI bezüglich des Gesamtüberlebens nach 5 Jahren zur Ganzbrustbestrahlung gibt, wobei die Studien im Wesentlichen ältere Patientinnen mit kleinem, klinisch nodal-negativem Mammakarzinom eingeschlossen haben. Bezüglich des krankheitsfreien Überlebens erscheint die APBI auch nicht unterlegen im Vergleich zur Ganzbrustbestrahlung, wobei sich möglicherweise erhöhte Lokalrezidivraten und eine verringerte nicht-brustkrebsbedingte Mortalität zu kompensieren scheinen. Die Bestrahlungsbehandlung von Teilen der Brust (PBI) unter Beschränkung auf den Primärtumorbereich als alleinige („definitive“) intra- oder postoperative Bestrahlungsbehandlung kann darüber hinaus eine Option sein für ausgewählte Patientinnen mit höherem Lokalrezidivrisiko, bei denen eine Homogenbestrahlung der gesamten Brust nicht durchführbar ist (z. B. Vorbestrahlung, Alter, Komorbidität) [29, 462, 624, 638, 648, 649].
© Leitlinienprogramm Onkologie | S3-Leitlinie Mammakarzinom| Version 4.3 | Februar 2020
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Dez 2017: Fakten aus der erschienenen „S 3 Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms“ (Version 4,0 – 448 S.)
Das Recht der Patientinnen auf umfängliche Beratung wurden enorm gestärkt, als die neu überarbeitete „Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms“ erschienen ist. Behandelnde Ärzte sind nun verpflichtet, die Patientinnen voll umfänglich über alle Brustkrebstherapien zu informieren.
Vergleiche: Einführung S.26 ff und Adjuvante Strahlentherapie. (S.139 bis S.164): Empfehlungen zur Strahlentherapie verfolgen wie im operativen Bereich zunehmend deeskalierende Strategien: Besonders bei fortgeschrittenem Alter können Verfahren der Hypofraktionierung und alleiniger Teilbrustbestrahlung mit der Patientin diskutiert werden (Kapitel 4.6).
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Boostbestrahlung
4.88. Evidenzbasierte Empfehlung
Empfehlungsgrad: A/B
Eine lokale Dosisaufsättigung (Boost-Bestrahlung) des Tumorbettes senkt die lokale Rezidivrate in der Brust, ohne dadurch einen signifikanten Überlebensvorteil zu bewirken. Die Boostbestrahlung • soll daher bei allen 51 Jahre alten Patientinnen nur bei erhöhtem lokalen Rückfallrisiko erfolgen (G3, HER2-positiv, tripelnegativ, > T1).
Level of Evidence 1a Quellen: [613-616]
Starker Konsens
Eine lokale Dosisaufsättigung des Tumorbetts (sog. Boost) kann die Rückfallrate nach brusterhaltender Operation weiter reduzieren. Es liegen Daten aus zwei großen randomisierten Studien vor. Beide Studien verglichen eine Bestrahlung der ganzen Brust (Dosis 50 Gy) versus Bestrahlung der Brust mit anschließendem Boost. In der französischen Studie betrug die Boost-Dosis 10 Gy [616]; in der größeren EORTC-Studie war die Boostdosis 16 Gy [614]. In beiden Studien wurde das Rückfallrisiko signifikant reduziert. Aus der größeren EORTC-Studie liegen Follow-up-Daten über 20 Jahre vor, die im 5-Jahres-Rhythmus aktualisiert und publiziert wurden; ferner sind aus dieser Studie mehrere Analysen zu prognostischen Faktoren publiziert worden [362, 613-615, 617- 619]. Der Benefit des Boosts auf die lokale Tumorkontrolle hat sich über 20 Jahre stabil gehalten oder sogar vergrößert. Auch für prognostisch günstige Subgruppen wurde die lokale Kontrolle signifikant verbessert; es gibt keine Subgruppe, die bezüglich der lokalen Tumorkontrolle nicht von einem Boost profitiert. Die relative Risikoreduktion ist in allen Subgruppen ähnlich; der absolute Vorteil ist bei jüngeren Patientinnen mit höherem Risiko größer als bei älteren Patientinnen mit Low-risk-Tumoren. Die Rate an Spätfolgen (Fibrose Grad 3 im Boostvolumen) war in der EORTC-Studie gering und bei älteren Patientinnen größer als bei jüngeren; daher ist das individuelle Nutzen-RisikoVerhältnis (lokale Kontrolle versus Fibrose) bei jüngeren Patientinnen sehr günstig und nimmt mit zunehmenden Alter ab. Als Konsequenz aus diesen Daten ist ein Boost dringend zu empfehlen und klar indiziert bei allen prämenopausalen Patientinnen sowie bei postmenopausalen Patientinnen mit erhöhtem Rückfallrisiko bzw. histologischen Risikofaktoren (G3, HER2-positiv, tripelnegativ, > T1) - Ältere Patientinnen mit Nachweis von begleitendem DCIS, befallenen Lymphknoten, fehlenden Hormonrezeptoren, Lymphgefäßinvasion und nach knapper R0- bzw. R1-Resektion profitieren möglicherweise auch von einem Boost. Ein Boost ist generell verzichtbar bei älteren Patientinnen ohne Risikofaktoren. Der Boost wurde früher überwiegend (z. B. in der EORTC-Studie) mit Elektronen mit fünf bis acht Fraktionen im Anschluss an die Bestrahlung der Brust appliziert (sog. sequenzieller Boost). Nach Einführung der 3D-Bestrahlungsplanung sind Techniken mit Photonen Standard geworden. Alternative Verfahren sind interstitielle Brachytherapie oder eine einmalige intraoperative Bestrahlung (mit KV-Röntgenstrahlung oder Elektronenstrahlung). Alle Verfahren haben Vorteile für bestimmte klinische Situationen und Limitationen. Es gibt bisher aber keine Hinweise, dass eines dieser Verfahren gegenüber anderen eindeutig überlegen ist. Für die Boostbestrahlung sollten daher die Verfahren gewählt werden, die vor Ort verfügbar sind und mit denen Erfahrung besteht. Ein neues Verfahren ist der simultan-integrierte Boost (SIB) bei externer Bestrahlung. Dabei wird die früher nach der Brustbestrahlung verabreichte sequentielle Boostdosis von 10-16 Gy/5-8 Fraktionen auf die Anzahl der für die Brustbestrahlung notwendigen Fraktionen (25-28) aufgeteilt und am Tumorbett als simultaner Boost integriert. Der SIB hat physikalisch-technische und biologische Vorteile (Überdosierungen außerhalb des Boostvolumens werden reduziert) und führt zu einer Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit um etwa 1 bis 1,5 Wochen in Abhängigkeit von der Höhe der Boostdosis [620-622]. Ein wesentlicher Nachteil des Boostes (nämlich die Verlängerung der Behandlungszeit der externen Bestrahlung) wird durch den SIB eliminiert. Bei Einsatz eines SIB kann die Indikation zur Boostbestrahlung daher eher großzügig gestellt werden. Die Kombination von konventioneller Fraktionierung bei der Bestrahlung der Brust mit einem SIB ist in großen prospektiven nicht-randomisierten Studien evaluiert worden und wird als sicher und effektiv bewertet [584, 623]. Die Kombination von Hypofraktionierung bei Bestrahlung der Brust und SIB gilt noch als experimentell. Mehrere randomisierte Studien weltweit untersuchen diese Frage aktuell (in Deutschland: HYPOSIB-Studie).
Teilbrustbestrahlung und IORT
4.89. Evidenzbasierte Empfehlung
Empfehlungsgrad 0
Eine alleinige Teilbrustbestrahlung (als Alternative zur Nachbestrahlung der ganzen Brust) kann bei Patientinnen mit niedrigem Rezidivrisiko durchgeführt werden.
Level of Evidence 1a Quellen: [624-629]
Starker Konsens
Eine am individuellen Risiko orientierte Indikation zur adjuvanten alleinigen Teilbrustbestrahlung (PBI (partial breast irradiation) oder APBI (accelerated partial breast irradiation)) nach kompletter Tumorexzision unter Brusterhalt und Beschränkung des Bestrahlungsvolumens auf die Tumorregion kann bei Patientinnen mit niedrigem (Lokal-)Rezidivrisiko durchgeführt werden. Die unterschiedlichen Konzepte mit verschiedenen Strahlenqualitäten und technischen Verfahren zur Teilbrustbestrahlung entsprechen zumeist denen, die auch bei der PBI als Boost-RT vor oder nach Bestrahlung der gesamten Brust (WBI) eingesetzt werden [630- 641]. Bei der Multikatheter-Brachytherapie können die Applikatorschläuche bereits während oder auch nach der Operation platziert werden. Dasselbe gilt auch für die BallonBrachytherapie, bei der der Ballon mit einem zentralen Brachytherapiekatheter bereits während der Operation („open cavity“), aber auch nachträglich („closed cavity“) in die Wundhöhle eingebracht werden. Die Bestrahlung erfolgt typischerweise über einige, 4.6. Adjuvante Strahlentherapie des Mammakarzinoms wenige Tage mit zum Teil mehrfach täglichen Bestrahlungen (z. B. zweimal pro Tag über 5 Tage). Für die Multikatheter Brachytherapie liegen zwei prospektiv randomisierte Studien mit langer Nachsorgezeit vor. Die Budapest-Studie [625] zeigte bis zu 10 Jahre nach Therapie ähnliche Ergebnisse mit APBI und WBI, aber diese monoinstitutionelle Studie wurde wegen schlechter Rekrutierung frühzeitig geschlossen, sodass sie für die Hypothese der Nicht-Unterlegenheit der APBI nicht ausreichend Power hatte. Ergebnisse aus der randomisierten Phase-III-Studie der GEC-ESTRO-Gruppe wurden kürzlich veröffentlicht [628]. Zwischen 2004 und 2009, wurden 1184 Patienten (> 40 Jahre, Tumor bis 3cm) randomisiert. Der primäre Endpunkt war das ipsilaterale Lokalrezidiv mit einer NonInferiority-Marge von 3% nach 5 Jahren. Die 5-Jahres-Rezidivrate lag bei 0,9% für EBRT und 1,4% für die APBI als alleinige RT-Modalität (p = 0,42). Das Gesamtüberleben betrug 95,6% für EBRT und 97,3% für APBI (p = 0,11). Die IORT als alleinige Radiotherapiemodalität stellt die extreme Variante der Kombination einer Hypofraktionierung und einer APBI dar und erfolgt unmittelbar nach der chirurgischen Tumorexstirpation als einmalige Bestrahlungsbehandlung unter Beschränkung auf die Tumorresektionshöhle mit Applikation einer als kurativ angesehenen Gesamtdosis auf das erweiterte Tumorbett. Für eine IORT werden Elektronen eines Linearbeschleunigers (= IOERT), eine Orthovolttherapie mit 50 kVRöntgenstrahlen eines Miniatur-Röntgengerätes oder eine Ballon-Brachytherapie Technik verwendet [631, 632, 635, 637, 642, 643]. Insgesamt wurden in zwei prospektiv randomisieren Studien (TARGIT, ELIOT) knapp 5000 Patientinnen randomisiert. Bisher vorliegende Studienergebnisse ergaben zwar für die Gesamtgruppe der Patientinnen eine etwas erhöhte Rückfallrate in der Brust, aber für bestimmte Subgruppen von älteren Patientinnen mit unifokalem kleinem Mammakarzinom lokale Tumorkontrollraten, die mit denen einer Radiotherapie der gesamten Brust erreichbaren vergleichbar waren [626, 627, 644]. Eine monozentrische Studie [645] randomisierte 520 Patientinnen über 40 Jahre mit Tumoren bis 2,5 cm zur perkutanen APBI mit 5 x 6 Gy als IMRT im Vergleich zur konventionellen Ganzbrustbestrahlung. Nach einem medianen Follow-up von 5 Jahren lag die Lokalrezidivrate bei 1,5% in beiden Armen mit einem günstigeren Toxizitätsprofil und besserer Lebensqualität nach APBI [646]. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse [647] fasste alle publizierten prospektiven Studien zur APBI zusammen, die Überlebensdaten publiziert hatten, und konnte klar zeigen, dass es keinesfalls eine Unterlegenheit der APBI bezüglich des Gesamtüberlebens nach 5 Jahren zur Ganzbrustbestrahlung gibt, wobei die Studien im Wesentlichen ältere Patientinnen mit kleinem, klinisch nodal-negativem Mammakarzinom eingeschlossen haben. Bezüglich des krankheitsfreien Überlebens erscheint die APBI auch nicht unterlegen im Vergleich zur Ganzbrustbestrahlung, wobei sich möglicherweise erhöhte Lokalrezidivraten und eine verringerte nicht-brustkrebsbedingte Mortalität zu kompensieren scheinen. Die Bestrahlungsbehandlung von Teilen der Brust (PBI) unter Beschränkung auf den Primärtumorbereich als alleinige („definitive“) intra- oder postoperative Bestrahlungsbehandlung kann darüber hinaus eine Option sein für ausgewählte Patientinnen mit höherem Lokalrezidivrisiko, bei denen eine Homogenbestrahlung der gesamten Brust nicht durchführbar ist (z. B. Vorbestrahlung, Alter, Komorbidität) [29, 462, 624, 638, 648, 649].
© Leitlinienprogramm Onkologie | S3-Leitlinie Mammakarzinom| Version 4.3 | Februar 2020
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Dez 2017: Fakten aus der erschienenen „S 3 Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms“ (Version 4,0 – 448 S.)
Das Recht der Patientinnen auf umfängliche Beratung wurden enorm gestärkt, als die neu überarbeitete „Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms“ erschienen ist. Behandelnde Ärzte sind nun verpflichtet, die Patientinnen voll umfänglich über alle Brustkrebstherapien zu informieren.
Vergleiche: Einführung S.26 ff und Adjuvante Strahlentherapie. (S.139 bis S.164): Empfehlungen zur Strahlentherapie verfolgen wie im operativen Bereich zunehmend deeskalierende Strategien: Besonders bei fortgeschrittenem Alter können Verfahren der Hypofraktionierung und alleiniger Teilbrustbestrahlung mit der Patientin diskutiert werden (Kapitel 4.6).